Bei der Freilandfundstelle Kammern-Grubgraben handelt es sich um eine der bedeutendsten Paläolithfundstellen Europas aus dem letzten Vereisungsmaximum. Die gut geschützte Lage zwischen Heiligenstein und Geißberg hoch über dem Kamptal hat vor allem in klimatisch ungünstigen Zeiten als Lagerplatz für den Menschen des letzten Hochglazials gedient. Zumindest vier Mal lagerten JägerInnen und SammlerInnen in sehr kurzen zeitlichen Abständen an diesem begünstigten Platz. Eine ganze Reihe von 14C-Daten stellen diesen Fundpunkt in einen Zeitraum von etwa 23 000 Jahren (cal BP) vor heute.
Die eiszeitliche Freilandfundstelle „Grubgraben“ bei Kammern, NÖ, ist bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Die durch einen Hohlweg aufgeschlossenen Kulturschichten zogen immer wieder Heimatforscher, aber auch Fachleute an. Es blieb aber immer nur bei kleineren Bergungen am Hohlwegrand. Erst F. Brandtner initiierte erste flächige Grabungen. Während seiner Arbeiten zwischen 1985 und 1994 wurden große Mengen an Fundmaterial geborgen. Leider blieb die Dokumentation der Befunde und der Stratigraphie weit hinter den Fundaufkommen zurück. Erst 2015 konnte eine Nachinventarisierung der Altfunde durch des Institutes für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit finanzieller Hilfe des Landes Niederösterreich abgeschlossen werden.
Grundstückszusammenlegungen und der Bau eines neuen Güterweges im Bereich der Fundstelle führten ab Ende 2014 zu einer Reihe von Feststellungsmaßnahmen (Profile, Rammkernsondagen und eine kleine Grabung). Die Arbeiten wurden von der Forschungsgruppe Quartärarchäologie des Institutes OREA im Auftrag des Bundesdenkmalamtes durchgeführt. Um wichtige Fragestellungen bezüglich der schlecht dokumentierten Altgrabungen zu klären sowie die Erhaltung und Ausdehnung der verschiedenen Kulturschichten zu erfassen führte die Forschungsgruppe Quartärarchäologie 2015, 2016 und 2017 kleinere Grabungskampagnen an der Fundstelle durch. Dabei wurden auch in Zusammenarbeit mit der Universität Wien, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, mehrere Lehrgrabungen angeboten.
Die Ergebnisse der bisherigen dreijährigen Forschungen müssen als aufsehenerregend bezeichnet werden. Neben einer Vielzahl an Fundobjekten, darunter auch viele Schmuckobjekte konnten auch mehrere Befunde dokumentiert und eine ausgedehnte Steinplattenlage freigelegt werden. Periglaziale Erscheinungen geben Auskunft über die Umweltbedingungen vor etwa 23 000 Jahren und Tierknochenreste zeigen das Jagdspektrum der Menschen in einem Zeitraum, von dem man bisher annahm, dass Leben im mittleren Donauraum aufgrund der vorherrschenden klimatischen Bedingungen nicht möglich war.